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Das Immunsystem – Supermacht oder „letztes Aufgebot“?

 

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Ein leistungsfähiges Immunsystem ist der wirksamste Schutz gegen Krankheiten. Wenn du einige Dinge beachtest, kann dein Tier für lange Zeit fit und gesund bleiben.

Alle Lebewesen werden durch ein körpereigenes Abwehrsystem vor Krankheitserregern geschützt. Bei höheren Lebewesen bezeichnet man dies als Immunsystem. Das Immunsystem hält schädliche Keime wie Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten unter Kontrolle und entfernt darüber hinaus toxische Produkte, Fremdsubstanzen und defekte Körperzellen.

Ein Immunsystem kann nur dann seine volle Leistungsfähigkeit entfalten, wenn es durch ein gesundes Wechselspiel aus Herausforderungen und Regenerationsphasen geschult und trainiert wird. Dazu benötigt es den ständigen Kontakt mit unterschiedlichen Keimen.

Künstliche Lebensräume, wie z.B. Terrarien, unterscheiden sich dabei vom natürlichen Biotop vor allem durch ihren Mangel an Keimvielfalt. Ohne den ständig wechselnden Erregerkontakt bleibt das Immunsystem unserer Reptilien deshalb häufig unterentwickelt, anfällig und irritierbar. Zugleich sind viele Terrarien stark mit bestimmten Keimen belastet, verursacht durch hohe Besatzzahlen, kleine Behälter oder mangelnde Hygiene.

Wenn ein unterentwickeltes Immunsystem einer großen Keimbelastung ausgesetzt ist, besteht erhöhte Infektionsgefahr. Dieser Situation sollten wir konsequent entgegenwirken. Mit Hilfe hygienischer Maßnahmen kann zum Beispiel der Erregerdruck im Terrarium reduziert, durch artgerechte Haltungsbedingungen und optimierte Wärmequellen das Immunsystem aktiv gestärkt werden.

Auch das Immunsystem braucht Erholung

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Das Immunsystem benötigt – wie auch andere Körperfunktionen – Phasen der Erholung und Regeneration. Wird es ständig überfordert, z.B. durch Stress oder chronische Erkrankungen, kann es seine Hauptaufgabe, die Erregerabwehr, nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. Die allgemeine Infekt-Anfälligkeit nimmt zu, Erkrankungen ziehen sich in die Länge, es besteht eine Neigung zu Rückfällen und chronischen Verläufen. Darmparasiten können sich leichter vermehren und selbst Wundheilungsstörungen treten signifikant häufiger auf.

Reptilien mit geschwächtem Immunsystem sorgen instinktiv für Entlastung, indem sie ihre Aktivitäten einschränken, sich zurückziehen, weniger fressen oder sich länger in der Nähe der Wärmequelle aufhalten. Spätestens dann sollten wir beginnen, die Haltungsbedingungen kritisch zu hinterfragen und Maßnahmen zu ergreifen, um das geschwächte Immunsystem zu stärken.

Komponenten des Immunsystems

  • Oberflächenbarrieren (Haut, Schleimhaut und symbiotische Bakterienflora)
  • Zelluläres System (z.B.- T-Lymphozyten, Makrophagen, Granulozyten, B-Lymphozyten)
  • Humorales System (Antikörper, Komplementfaktoren, Interleukine)

Belastungsfaktoren für das Immunsystem

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Erste Maßnahme: Belastungsfaktoren reduzieren

  • Chronische Infektionen und Eiterherde sollten konsequent behandelt werden. Sie stellen eine permanente Belastung für das Immunsystem dar.
  • Geringer Parasitenbefall ist normal und braucht nicht behandelt zu werden. Ein Massenbefall kann allerdings das Immunsystem stark belasten und sollte mit geeigneten Präparaten therapiert werden. Regelmäßig durchgeführte Kotuntersuchungen geben Aufschluss über den Parasiten-Status.
  • Sozialer Stress kann das Immunsystem erheblich schwächen. Hauptursache sind Konflikte mit Artgenossen. Deshalb ist es ratsam, sich über die sozialen Gewohnheiten der gehaltenen Art genau zu informieren. Territoriale Arten sollten nur in ausreichend großen Gehegen und unter genauer Beachtung der Gruppenkonstellation gehalten werden. Die Rangordnung der Tiere muss aufmerksam beobachtet werden. Für unterdrückte oder geschwächte Tiere ist Einzelhaltung dringend anzuraten.
  • Die meisten Reptilien sind Einzelgänger. Paar- und Gruppenhaltung kann für sie eine erhebliche Belastung darstellen. Männchen sind untereinander in der Regel unverträglich. Auch ein Überhang an Männchen ist häufig problematisch. Dies führt zu ständigen Rangeleien, Belästigung der Weibchen und Unterdrückung schwächerer Artgenossen.
  • In vielen Terrarien herrscht eine hohe Erregerdichte, vor allem, wenn sie klein, überbesetzt und unzureichend belüftet sind. Geringe Luftfeuchtigkeit erhöht die Staubbildung und führt dazu, dass Augen und Atemwege der Insassen kontinuierlich mit erregerhaltigem Staub kontaminiert werden. Dies belastet das Immunsystem und erhöht die Anfälligkeit für Augen- und Atemwegserkrankungen. Insbesondere in Trockenterrarien sollte deshalb regelmäßig, vor allem morgens und abends, Wasser gesprüht werden, um die Staubbelastung in Grenzen zu halten. Als Bodensubstrat sollten staubarme Materialien verwendet werden.
  • Flüssigkeitsmangel führt zur Anhäufung toxischer Abbauprodukte im Körper. Dadurch wird das Immunsystem belastet, das nun verstärkt giftige Stoffwechselprodukte entsorgen muss. Somit stehen ihm weniger Ressourcen zur Erregerabwehr zur Verfügung. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr hingegen fördert die Ausscheidung giftiger Abbauprodukte.
  • Futter sollte bei Nichtverzehr zügig entsorgt werden, sonst entstehen Gärungsprozesse, Fäulnis, Schimmel und toxische Abbauprodukte. Diese belasten das Immunsystem. Aus dem gleichen Grund sollte altes Fertigfutter entsorgt werden. Wurde es feucht und warm gelagert, kann es bereits vor Ablauf des Verfallsdatums verdorben sein.
  • Die Bakterien der Darmflora sind ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems. Falsche Ernährung ändert deren natürliche Zusammensetzung und bietet somit pathogenen Darmkeimen und Parasiten eine Angriffsfläche.
  • Zahlreiche Medikamente, insbesondere Antibiotika und Entwurmungsmittel destabilisieren die Darmflora, indem sie wichtige Darmsymbionten schädigen. Bereits zu Beginn einer entsprechenden medikamentösen Behandlung sollten deshalb begleitend geeignete Darmsymbionten zugeführt werden.
  • Auch die Bakterien-Flora der Haut und Schleimhaut ist Teil des Immunsystems. Zu trockene oder zu feuchte Haltungsbedingungen stören ihre natürliche Zusammensetzung und machen sie anfällig für pathogene Keime.
  • Ein Mangel an UV-Strahlung kann die natürliche Zusammensetzung der Haut-Flora stören und mykotischen oder viralen Hauterkrankungen Vorschub leisten.

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Zweite Maßnahme: Immunsystem stärken

  • Artgerechte Haltung sorgt für ein gesundes Immunsystem. Deshalb ist es wichtig, sich genau über die Ansprüche der gehaltenen Art zu informieren und den Empfehlungen zu folgen.
  • Besonders wichtig ist eine optimale und artgerechte Wärmezufuhr, damit das Tier seine „Betriebstemperatur“ erreichen kann. Häufig brennen Wärmelampen viel zu kurz oder produzieren zu wenig Wärme.
  • Die ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen ist für ein leistungsfähiges Immunsystem unerlässlich.
  • Selbst starke Belastungen werden relativ gut vertragen, wenn die Möglichkeit zu adäquater Erholung besteht. Orte der Regeneration sind in erster Linie das Versteck und ein Platz zum Aufwärmen. Jedem Tier sollten also ein blicksicheres Versteck und ein von Konkurrenten nicht gefährdeter Sonnenplatz zur Verfügung stehen. Sammelunterkünfte und umkämpfte Sonnenplätze erschweren die Regeneration erheblich.
  • Die Überwinterungsphase dient auch dem Immunsystem als Zeit der Entlastung und Regeneration. Findet keine Überwinterung statt, entfällt eine wichtige Regenerationsphase.
  • Bei akuten infektiösen Erkrankungen sollte die Temperatur lokal um ca. 3–5 °C angehoben werden, damit Fiebertemperaturen erreicht werden. Fieber bewirkt eine maximale Mobilisierung des Immunsystems.
  • Im Krankheitsfall hilft eine vorübergehende Einzelhaltung im Quarantänebecken, um das Immunsystem zu stabilisieren. Dort kann der Patient individuell versorgt werden und hat jederzeit freien Zugang zu Futter, Wärme und Versteck, ohne sich gegen Konkurrenten behaupten zu müssen.
  • www.reptiliendoktor.com

 

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